Wir sind Kinder der Evolution, geformt durch das Überlebensspiel unserer Vorfahren. Unser Motivationssystem, ein Relikt aus dieser Ära, ist scharf auf sofortige Belohnungen ausgerichtet. In diesem Artikel erforschen wir dieses faszinierende Erbe und wie wir in der heutigen Zeit mit diesem Wissen unser Wohlbefinden und unsere Produktivität steigern können.

Unser Motivationssystem

Um unser Motivationssystem besser zu verstehen, stellen wir uns einen prähistorischen Jäger namens Ugh vor. Fand Ugh eine Frucht, aß er sie, weil die Energie, die er dadurch bekam, ihm beim Überleben half. Er verspürte dabei ein Gefühl der Belohnung.

Wo eine Frucht war, vermutete Ugh mehr, und meist stimmte das. Er suchte und aß, bis er satt war. Das Gefühl der Belohnung motivierten ihn, nach neuen Früchten zu suchen. Er fand sie in kurzen Zeitabständen, was ihn in seinem Vorgehen bestätigte. Waren Früchte schlecht erreichbar, ignorierte er sie, bis er seine Umgebung abgesucht hatte. Ughs Strategie wurde durch seine Umgebung bestätigt. Bevorzugung von unmittelbaren Belohnungen und dass diese zeitlich schnell aufeinanderfolgen.

Jetzt schauen wir uns Heinz an, einen Büroangestellten und direkten Nachfahren von Ugh. Genetisch unterscheidet sich Heinz kaum von Ugh. Die gleichen Verhaltensprogramme, die Ugh leiteten, steuern auch Heinz. Aber seine Umgebung hat sich völlig verändert. Heinz arbeitet als Programmierer. Er liebt es, “kleine” Aufgaben zu lösen, die zusammen etwas Großes ergeben. Die Freude an dieser Arbeit und der Wert, den er dabei schafft, sind seine Belohnungen. Jedes gelöste Problem ist wie eine Frucht für Ugh. Hat er eines gelöst, ist Heinz motiviert, weitere zu lösen. Leider wachsen die Früchte, die Heinz motivieren, nicht auf Bäumen, sie sind abstrakt. Dennoch ist es für Heinz genauso wichtig wie für Ugh, dass er Belohnungen in schneller Abfolge erhält und sie zusammenhängen. Das motiviert ihn. Der Grund für dieses Verhalten, das Überleben, ist entfallen, aber wir folgen immer noch dem Programm, das es ermöglicht.

Wenn die Arbeit von Heinz so gestaltet ist, dass er immer wieder Wert schafft, also kleine Belohnungen erhält, und dies in möglichst kurzen zeitlichen Abständen, bleibt er motiviert. Er freut sich auf seine Arbeit!

Die Realität

Heinz arbeitet in einem Unternehmen. Dort werden Prozesse und Verhaltensregeln von ihm verlangt, bevor er Wert schaffen darf, der ihn motiviert. Er muss unter anderem Besprechungen abhalten, Vorgaben durchlesen und befolgen, bestimmte Dokumente erstellen usw. All diese Dinge muss er erledigen, bevor er Wert schaffen kann. Nachdem er seine eigentliche Aufgabe abgeschlossen hat, muss er dokumentieren, einsortieren, strukturieren usw. Diese gut gemeinten Abläufe ziehen die von Heinz wahrgenommenen Belohnungen zeitlich auseinander. Es ist, als ob die Früchte für Ugh nicht mehr am selben Platz wachsen, sondern durch Hindernisse und Gefahren voneinander getrennt sind. Ugh müsste sich diesen Herausforderungen stellen, sonst würde er sterben. Dies gilt nicht so für Heinz. Ohne stetige Belohnungen und Überlebensgründe würde er, wie die meisten Menschen, schlichtweg den Weg des geringsten Widerstandes wählen. Es gibt keinen Grund für Heinz noch gute Arbeit zu leisten. Sein Belohnungszentrum ist inaktiv.

Heinz tritt in eine Abwärtsspirale ein. Seine Selbstwirksamkeit nimmt ab, weil er weniger Wert schafft, und dies ist ihm schmerzlich bewusst. Sein Umfeld reagiert leider auch nicht hilfreich. Um einen Leistungsabfall entgegenzuwirken, werden meist noch mehr Prozesse eingeführt, Qualitätskontrollen durchgeführt, oder schlichtweg Druck aufgebaut. Bedauerlicherweise bewirkt dies genau das Gegenteil des gewünschten Verhaltens. Die Belohnungen, die Heinz motivieren, sind noch weiter auseinander. Heinz ist zutiefst demotiviert.

Was kann nun Heinz selbst tun, dem zu entfliehen?

Wege aus der Abwärtsspirale

“Wenn du etwas Gutes mit harter Arbeit erreichst, vergeht die Arbeit schnell, aber das Gute bleibt bestehen; wenn du etwas Schändliches tust, um Vergnügen zu haben, vergeht das Vergnügen schnell, aber die Schande bleibt bestehen” - Musonius Rufus

Es gibt mehrere Strategien, um aus der Abwärtsspirale zu entkommen. Viele sind offensichtlich, wie Besprechungen zu reduzieren oder Prozesse zu vereinfachen. Aber die meiner Erfahrung nach effektivste Strategie widerspricht der Intuition der meisten Menschen.

Heinz muss sich ins Zeug legen, um die Geschwindigkeit bei den Aufgaben zu erhöhen, die ihn motivieren! Das bedeutet nicht, dass er “mehr” tun soll. Das wäre ein sicherer Weg in den Burn-out. Nein, Heinz muss seine wertschaffenden Aufgaben so gestalten, dass er sie in kurzen Abständen erledigen kann, um seine Motivation zu erhalten oder besser ständig zu erhöhen.

Dies erreicht Heinz, indem er zusammenhängende Zeitblöcke in seinem Tag schafft, in denen er ununterbrochen an Tätigkeiten arbeiten kann, die für ihn wertschaffend sind und ihm das Gefühl geben, etwas geleistet zu haben.

Während dieser Zeitblöcke tut Heinz alles, um schnell zu sein. Sein überlagertes Ziel ist, das gute Gefühl beim Abschluss einer Aufgabe möglichst häufig zu erfahren.

Dies kann Heinz nicht nur durch bloßen “Willen” erreichen. Es gibt auch zahlreiche Taktiken, die Heinz anwenden kann, um seine Geschwindigkeit zu erhöhen.

Taktiken zum Erhöhen der Geschwindigkeit

Kettenraucher: Heinz muss alle Aufgaben so gestalten, dass er sie nacheinander erledigen kann. Es geht darum, Wert in kurzen Abständen zu schaffen. Dies erfordert Übung, aber es lohnt sich.

Vorbereitung Heinz muss sich auf seine Wertschaffen-Tätigkeiten vorbereiten. Das bedeutet, er räumt eventuell auftretende Hindernisse im Voraus aus dem Weg. Beispielsweise erlernt Heinz Programme, die er benutzen will, oder er legt alle benötigten Arbeitsmaterialien im Voraus bereit. Schon die Suche nach einem “Stift” kann dazu führen, dass die angestrebte Wertschöpfungs-Kette zerbricht.

Kickstart: Die erste Aufgabe, die Heinz beginnt, sollte schneller zu bewältigen sein als die folgenden und ihn bereits motivieren. So erhält Heinz einen Kickstart, um sich auf weiteren Aufgaben einzustellen.

Freiheit: Heinz verfolgt absichtlich keinerlei Prozesse in der Zeit, in der er Wert schaffen will. Das kann er zu einem anderen Zeitpunkt erledigen, am besten, wenn er bereits ausgepowert ist und kaum noch Wert produzieren kann.

Skalierung: Heinz gestaltet seine Aufgaben so, dass sie immer ein “bisschen” schwerer werden, gerade so, dass sie ihn nicht von stetigen Erfolgen abhalten. So wird sich Heinz ständig verbessern.

Strukturlosigkeit: Und am wichtigsten, Heinz sollte versuchen, das Strukturieren seiner Ergebnisse möglichst spät durchzuführen. Etwas zu strukturieren, produziert keinen direkten Wert. Es dient dazu, Arbeitspakete so zu verpacken, dass sie weiterverarbeitet werden können. Dies ist zwar notwendig, aber im Sinne einer stetig steigenden Wertschöpfung eher hinderlich. Besser ist es, erst dann Struktur zu schaffen, wenn es unbedingt erforderlich ist. Und auch das ist bestenfalls in Zeiten zu erledigen, wenn wir kaum noch Energie haben, wertschöpfende Tätigkeiten auszuführen.


Dank der kurzen Abstände, der ununterbrochenen Arbeit und der Vorbereitung ist Heinz wieder motiviert. Seine Selbstwirksamkeit nimmt zu. Eine Aufwärtsspirale beginnt.

Schnelligkeit bei der Arbeit ist eine wichtige Fähigkeit, um sich selbst zu motivieren. Versteht du dies und wendest du die hier beschriebenen Taktiken an, wirst du am Ende des Tages, ein gutes Gefühl verspüren etwas sinnvolles geleistet zu haben. Nutze es!

Zusammenfassung

Unser angeborenes Belohnungssystem treibt uns zur sofortigen Befriedigung an, eine Eigenschaft, die in der modernen Arbeitswelt häufig untergraben wird. Durch die Implementierung von Strategien, die auf schnelle, zusammenhängende Belohnungen abzielen, wie das Schaffen von ununterbrochenen Arbeitszeiten und das Erhöhen der Geschwindigkeit, können wir uns selbst effektiv motivieren und produktiver werden. Trotz Struktur und Prozessen im Arbeitsalltag, können wir unsere natürlichen Antriebe nutzen, um unser Wohlbefinden und unsere Produktivität zu verbessern. Schnelligkeit in der Arbeit führt zu mehr Selbstwirksamkeit und Freude, was wiederum zu einer besseren Work-Life-Balance führt.

Bibliografie

  1. Forte, Tjago. Just-In-Time PM #20: Speed as a Capability
  2. Forte, Tjago. Just-In-Time PM #19: Explosive Inspiration