In den letzten Wochen wurde ich öfter gefragt, warum ich schreibe und meine Texte im Internet veröffentliche. Nein, ich erwarte nicht, dadurch plötzlich berühmt zu werden. Ich will auch kein Geld damit verdienen. Dieser Artikel erklärt meine persönlichen Gründe, warum ich mir die Mühe mache, zu schreiben, in absteigender Reihenfolge der Wichtigkeit. Ich hoffe, er bietet Erklärung und Inspiration für jedermann, der meine Inhalte liest oder vielleicht sogar selbst mit dem Schreiben beginnen möchte.
Verknüpfungspunkt
“You are the average of the five people you spend the most time with.” - Jim Rohn
Ich strebe danach, großartige Menschen zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen. Doch womit beginne ich das Gespräch? Das ist eine Frage, die mich lange beschäftigt hat. Es gibt einfach nichts, was uns verbindet. Und das macht es verdammt schwer, Kontakt aufzunehmen. Insbesondere über so anonyme Medien wie das Internet.
Ein Ansatz wäre das, was Verkäufer als “Kaltakquise” bezeichnen: Einfach den ersten Schritt machen und versuchen, “spontan” in Kontakt zu kommen. Es wird sich schon etwas ergeben. Aber ehrlicherweise antworte ich selbst selten auf solche Anfragen. Es fehlt oft einfach ein gemeinsames Thema.
Eine interessante Lösung für dieses Dilemma bietet der Autor Austin Cleon in seinem Buch Show Your Work an, die ich aktuell verfolge. Cleon schlägt vor, dass wir die Rolle eines “wechselseitigen Verknüpfungspunktes” einnehmen sollten, um Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.
Dabei geht es einerseits darum, durch das Schreiben von Artikeln, Posts, Tweets etc. einen Anknüpfungspunkt im Internet zu schaffen, den Menschen finden und auf den sie sich beziehen können. So entsteht die Möglichkeit, auf die Gedanken und Themen, die ich teile, zu reagieren und so mit mir in einen konstruktiven Austausch zu treten.
Andererseits, was das “Wechselseitige” betrifft, geht es darum, die Beiträge anderer im Internet zu kommentieren, ihnen Unterstützung anzubieten und proaktiv Beziehungen aufzubauen. Das mache ich bereits bei meiner Arbeit und würde diesen Ansatz gerne auf ein breiteres Publikum ausweiten.
Mit meinen Artikeln und Aktivitäten im Internet möchte ich versuchen ein “wechselseitige Verknüpfungspunkt” zu sein, daher traut euch ruhig, mit mir in Kontakt zu treten. Ich würde mich sehr über jeden freuen, der dieses Angebot annimmt.
Feedback
“Absorb what is useful, Discard what is not, Add what is uniquely your own.” - Bruce Lee
Ich wünsche mir Feedback, einschließlich konstruktiver Kritik, zu meinen Gedanken und meiner Arbeit von Menschen innerhalb und außerhalb meines direkten Einflussbereichs, um mein “Werk” zu verbessern. Deshalb veröffentliche ich meine Überlegungen und Arbeitsmethoden, um frühzeitig und regelmäßig Feedback zu erhalten.
Daher stelle ich all das, was mir wichtig ist, auf den Prüfstand der Öffentlichkeit, um es und mich selbst zu verbessern. Das möchte ich erreichen, indem ich ein Medium, in meinem Fall das Schreiben, nutze, um euch an meiner Arbeit und meinen Gedanken teilhaben zu lassen.
Ich tue das mit gleichem Maß an Stolz und Demut. Stolz, weil ich den Mut habe, meine Gedanken mit euch zu teilen. Demut, um meine Standpunkte verändern zu können.
Deshalb bitte ich ausdrücklich: Schont mich nicht. Wenn ich etwas schreibe, das schlichtweg falsch ist, lasst uns darüber diskutieren. Gibt es Verbesserungspotenzial? Bitte sagt es mir!
Gedanken klären
“Good writing is clear thinking made visible.” - Bill Wheeler
Wenn ich meinen Gedanken freien Lauf lasse, tendieren sie dazu, sich um ein gerade wichtiges Thema zu drehen. Dadurch reduziert sich meine Wahrnehmung der Welt auf einen sich ständig wiederholenden Gedankenkreislauf. Häufig sind diese Gedanken negativ, was zu einseitigen Sichtweisen und unbegründeten Entscheidungen führt.
Eine treffende Metapher dafür ist, sich den Geist wie ein Glas trüben Wassers vorzustellen. Je trüber das Wasser, desto weniger erkennen wir die Welt, wie sie wirklich ist. Das Schreiben dient in diesem Fall als Filter, der das Wasser klärt. Es ist ein wunderbares Mittel, um die Realität klarer zu erkennen, mir in Ruhe Gedanken zu machen, Strategien zu entwickeln und Antworten auf wichtige Fragen zu finden.
Als eher hektische Person verhilft mir das Schreiben zur Ruhe und lenkt meine Gedanken in konstruktive Bahnen. Es hat für mich die gleiche Qualität wie Meditation. Jedes Mal, wenn ich impulsiv gehandelt habe, hat das meistens zu unerwünschten Ergebnissen geführt. Durch das Schreiben kann ich meine Impulsivität reduzieren und dieses Persönlichkeitsmerkmal kontrollieren – manchmal mehr, manchmal weniger. Das allein ist schon ein beachtlicher Erfolg für mich!
Kreativität
“Writing is the painting of the voice.” - Voltaire
Ich wollte schon immer etwas Kreatives tun. Ich habe versucht zu zeichnen, ich habe es wirklich versucht, aber es hat mir nie wirklich Spaß gemacht und ich habe schnell aufgegeben. Auch beim Versuch, ein Instrument zu spielen, bin ich gescheitert. Ich wollte sogar das Tanzen lernen, was insbesondere im Umgang mit Damen sehr nützlich ist, aber ich bin auch hier nie über das Anfängerniveau hinausgekommen.
Beim Schreiben ist das anders. Zugegeben, es fällt mir schwer. Stellenweise sehr schwer! Meine natürliche Veranlagung liegt im technischen Bereich. Die Worte kommen nicht einfach so zu mir; ich muss um jedes Wort und jeden Satz kämpfen. Von Grammatik und Rechtschreibung ganz zu schweigen. Aber bei jedem Text, bei jedem Artikel habe ich das Gefühl, mich ein wenig zu verbessern. Es wird jedes Mal ein wenig leichter. Das motiviert mich, weiterzumachen. Und es macht mir Spaß! Und ist es nicht letztlich das, worauf es bei einer Tätigkeit ankommt, die man um ihrer selbst willen tut.
Portfolio
“Portfolios are everything, promises are nothing. Do the work.” - Chase Jarvis
Es gibt Zeiten im Leben, in denen man etwas Vorzeigbares braucht. Und wenn man einfach etwas “aus der Tasche” ziehen kann, um eine eigene Argumentationskette zu stützen, wirkt das auf andere fast wie Magie. Nehmen wir etwa diesen Artikel: Wenn mich jemand fragt, warum ich das alles mache und was ich mir davon verspreche, kann ich ihn darauf verweisen. Die Person erhält dann keine stammelnde Antwort, sondern ein ausformuliertes Gedankenkonstrukt, das ich bei Bedarf auch verbal wiedergeben kann.
Das wirkt nicht nur professionell, sondern ist für mich der Inbegriff von Professionalität. Insbesondere gilt das für meine technischen Artikel. Es ist schon toll, wenn jemand eine “Roadmap” erstellen möchte und ich daraufhin einen [Link]({% post_url 2023-04-06-Roadmap %}) zu diesem Thema vorzeigen kann.
Der Bezug muss nicht unbedingt direkt sein; auch entferntere Artikel, die nur Aspekte einer Aufgabe beleuchten, die vor einem liegt, können helfen, bei einer anderen Person Vertrauen aufzubauen. Ich finde das äußerst praktisch!
Lernen
“Writing and learning and thinking are the same process.” - William Zinsser
Wenn ich über ein Thema schreibe, muss ich mich wirklich damit auseinandersetzen. Der Eindruck, etwas verstanden zu haben, verfliegt rasch, wenn ich versuche, es schriftlich darzulegen. Plötzlich merke ich, dass das Thema wohl doch nicht so einfach ist. Dadurch beschäftige ich mich intensiver damit und beleuchte es von verschiedenen Seiten.
Indem ich mir meine eigenen Gedanken mache, bleibt das Thema sozusagen in meinem Kopf “hängen” und wird in mein Denken integriert. Nach meiner Meinung gibt es nur noch eine bessere Methode zu lernen, und das ist, jemandem etwas direkt beizubringen. Aber bei dieser Methode ist man in der Themenwahl weniger frei. Deshalb bevorzuge ich das Schreiben.
Kommunikation verbessern
“Writing is communication” - Theodore Sturgeon
Im Laufe meines Lebens habe ich bemerkt, dass Menschen, obwohl sie miteinander reden, sich völlig missverstehen können. Dieses Problem ist im Bereich der Softwareentwicklung weitverbreitet.
Wir haben unter anderem einmal eine Software als “Feature complete” bezeichnet, was bedeutet, dass alle Funktionen integriert sind und jetzt Tests, Dokumentation usw. durchlaufen müssen. Unsere Projektleitung hat unter “Feature complete” verstanden, dass die Software fertig ist. Ein erläuternder Satz hätte dieses Missverständnis schnell klären können. Leider habe ich diese Gelegenheit verpasst!
Es ist unsere Verantwortung, unseren Standpunkt so zu kommunizieren, dass unser Gegenüber uns versteht. Das nennt man empfängergerechte Kommunikation. Das Schreiben ist für mich ein guter Weg, ebendiese Art der Kommunikation vorzubereiten. Ich zerlege komplexe Themen in einfache Sprache, um sie an den jeweiligen Empfänger zu transportieren.
Insbesondere ist diese Fähigkeit auch beim schreibe von E-Mails wertvoll. Versucht es selbst!
Zusammenfassung
Ich schreibe und veröffentliche Texte im Internet, um als “wechselseitiger Verknüpfungspunkt” einen inspirierenden Austausch zu ermöglichen. Das Schreiben dient dazu, mein Denken zu klären, kreativ zu sein, mein Portfolio zu erweitern, neue Dinge zu lernen und meine Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern.
Bibliografie
- Cleon, Austin. Show Your Work!: 10 Ways to Share Your Creativity and Get Discovered, Workman Publishing Company, 2014
- Why I Blog
- Forte, Tjao. Building a Second Brain: A Proven Method to Organise Your Digital Life and Unlock Your Creative Potential (English Edition), Profile Books, 2022